Ausziehen als Aktions- und Kommunikationsmittel

Worum geht’s bei der Aktion?

Das „Ausziehen für/gegen …“ ist eine Art Kommunikationsmittel, das natürlich nicht nur medial immer großes Aufsehen erregt. Dabei kann dieses Aktionsmittel zu allen möglichen Themen angewendet werden und im Grad der „Nacktheit“ sehr variieren. Obwohl das Motto „Sex sells“ hier schnell assoziiert wird, geht es meist nicht um Sex und der „Sexyness“-Faktor spielt, solang er nicht explizit hervorgehoben wird, eine eher untergeordnete Rolle. Nacktheit, vor allem in der Öffentlichkeit, gilt in unserer Gesellschaft als Tabu und erregt Aufsehen. Wer sich für ein Thema (etwas) auszieht, dem wird Aufmerksamkeit geschenkt. „Wieso zur Hölle machen die das?“ fragen sich die Betrachter:innen und kommen nur selten drumherum, sich zumindest kurz mit eurem Thema zu befassen. Nichts muss, alles kann: Von ganz ausgezogen bis „etwas Haut zeigen“ und von „neutral“ bis „sexy“, das könnt ihr selber entscheiden. Wichtig ist nur, dass diese Entscheidung für jede:n Aktivist:in in Ordnung ist. Niemand sollte dazu gezwungen werden, gewisse Kleidungsstücke auszuziehen, jede:r so viel er oder sie will.

Was brauchen wir dafür:

  • Eine Umkleidekabine (3 Decken, Auto, …)
  • Tüten oder Müllsäcke für die Kleidung der Aktivist:innen
  • Je nach Jahreszeit ausreichend warme oder kalte Getränke (lieber zu viel)
  • Aufklärungsmaterialien (Schilder, Flyer, Transparente,…)
  • Je nach Art der Inszenierung noch Accessoires für die Aktivist:innen (Stierkampfsperre, Umhängeschilder, …)

Vorbereitung

Anmeldung

Ihr seid verpflichtet, die Versammlung beim Ordnungsamt anzumelden, da ihr in aller Regel mehr als eine Person sein werdet. Die Nacktheit muss übrigens nicht mit angemeldet werden (zumindest solange die Geschlechtsteile verdeckt sind, aber dazu kommen wir später noch). Jede:r kann sich so anziehen, wie es ihm/ihr gefällt. Tipps zur Anmeldung findet ihr hier.

Presse

Ausziehaktionen eigenen sich hervorragend für Pressearbeit und ihr habt gute Chancen, dass über euch und die Thematik, auf die ihr aufmerksam machen wollt, berichtet wird. Ausziehaktionen findet die Presse oft berichtenswert, da es ungewöhnlich ist und es die Leute dadurch interessiert. Wenn die Ausziehaktion als reines Presseevent veranstaltet wird, kann sie auch nur eine Stunde dauern. Denn hier zählt es, gute Bilder für die Presse zu erlangen und nicht unbedingt Passant:innen vor Ort aufzuklären. Tipps zur Pressearbeit findet ihr hier.

Durchführung

Ganz wichtig ist, dass viele Plakatete, Transparente, Schilder und ähnliche Kommunikationsmittel vorhanden sind, die auf die Thematik aufmerksam machen und erklären, warum die Aktivist:innen fast nackt sind (z. B. „Lieber nackt als Pelz.“). Ansonsten kann es passieren, dass ihr zwar die Aufmerksamkeit der Zuschauenden erregt, diese aber nicht verstehen, was ihr mit eurer Aktion ausdrücken wollt. Auch sollten genügend Aktivist:innen anwesend sein, die eben nicht ausgezogen sind, sondern Flyer verteilen und mit den Zuschauenden reden. Zum einen verstehen diese dann, warum ihr die Aktion durchführt, da ihr so die ganzen Hintergründe erklären könnt, und zum anderen sind die nackten Aktivist:innen den Zuschauenden nicht schutzlos ausgeliefert. In der Regel wird kein Schutz benötigt, aber es ist schon ein gutes Gefühl, wenn mensch von Passant:innen blöd angemacht wird und jemensch die Pöbler:innen gleich wegschickt.
Die Versammlungsleitung und Pressesprecher:innen sollten sich auf jeden Fall ankleiden. Für Presse- und Behörden-Vertreter:innen ist es angenehmer, mit einer angekleideten Person zu kommunizieren. Auch die Flyerverteilenden sind mit einem nicht zu freizügigem Outfit gut beraten, da so die Hemmschwelle der Bürger:innen geringer ist und so leichter Diskussionen über das Thema entstehen können.

Ab drei ausgezogenen Aktivist:innen empfiehlt es sich, für jede:n Aktivist:in einen Beutel, Müllsack oder ähnliches zum Aufbewahren der Kleidung bereitzustellen. Das erspart nerviges Suchen beim Wiederanziehen und auch persönliche Gegenstände gehen nicht so leicht verloren. Am besten mit einem dicken Stift die Namen auf die Tüten schreiben und das Anziehen läuft wie am Schnürchen.

Bei der Aktion selbst sollte das Ausziehen der letzte Schritt sein. Nichts ist nerviger, als halbnackt rumzustehen, um warten zu müssen, bis die Schilder ausgepackt sind oder andere Aktionsgegenstände aufgebaut sind. Es ist angenehm, einen Platzt zum Aus- und Anziehen zu haben. Autos sind zwar eine Möglichkeit, aber meistens sehr unbequem und nicht wirklich blicksicher. Viel einfacher sind drei Decken, die von anderen Aktivist:innen gehalten werden. So lässt sich eine völlig blickdichte, dreieckige Umkleidekabine basteln, die sich auch noch superleicht transportieren lässt.
Für die ausgezogenen Aktivist:innen sollte die Aktion natürlich möglichst angenehm sein. Je nach Jahreszeit, Veranstaltungsort und Pose kann es passieren, dass man zu frieren oder schwitzen beginnt. Generell gilt an kalten Tagen: Die Aktivist:innen sollten sich entweder ausreichend bewegen können oder die Aktionsdauer sollte kurz bemessen sein. Wenn die Nackten auf dem Boden liegen, sollten Isomatten oder Ähnliches untergelegt werden. Der Boden kann zu gewissen Jahreszeiten kälter sein, als mensch annehmen mag. An warmen Tagen ist es angenehm, wenn der Aktionsort schattig ist. Je nach Jahreszeit sollten ein wärmender Tee und Decken bzw. kühle Getränke unbedingt vorhanden sein. Für die Aktivist:innen ist es auch sehr angenehm, wenn während der Aktion Getränke bereitstehen.

Probleme

Erregung öffentlichen Ärgernisses

Es könnte passieren, dass ihr aus Sicht eines Zuschauenden oder der Polizei öffentliches Ärgernis erregt, indem ihr sexuelle Handlungen vornehmt. So lange ihr eure Geschlechtsteile verdeckt, könnt ihr aber kein öffentliches Ärgernis erregen. In rückständigen Gegenden kann es passieren, dass die Brustwarzen der Personen, die die Polizei als weiblich definiert, bedeckt sein müssen. Hautfarbene Pflaster sind hierfür sehr gut geeignet. Wir raten generell davon ab, Geschlechtsteile zu zeigen, da es für die Aktion keinen Nutzen bringt und bei Polizei und Zuschauenden nicht gut ankommt. Öffentlich gezeigte Geschlechtsteile sind definitiv öffentliches Ärgernis und das kann geahndet werden.

Beispiele

Diese Aktionsform wird inzwischen eigentlich schon überall genutzt. Ob von Tier- oder Umweltschutz-Organisationen, als Student:innen-Protest oder sogar von Parteien. Dabei sollte das Thema bzw. Motto der Aktion natürlich auch mit dem „Ausziehen“ in Zusammenhang gebracht werden können. Einige Beispiele von bereits durchgeführten oder durchführbaren Aktionsthemen:

Datenschutz

In der Diskussion um sogenannte „Nacktscanner“ an Flughäfen hat die Piratenpartei eine Aktion durchgeführt:
Unter dem Motto „Ihr braucht uns nicht zu scannen. – Wir sind schon nackt.“ beteiligten sich Mitglieder der Piratenpartei Deutschland am heutigen 10. Januar an Flashmobs auf mehreren deutschen Flughäfen. Die Piraten legten ihre Kleidung ab und machten dadurch ihre Meinung über den geplanten Einsatz von Nacktscannern deutlich. (www.piratenpartei.de/node/1011/37858, Stand: 10.01.2010)


Die Aktivist:innen postierten sich in Unterwäsche bekleidet und mit Transparenten und Schildern „bewaffnet“ in den Flughäfen und machten darauf aufmerksam, wie sehr Nacktscanner die Intimsphäre der Menschen berühren.
Quelle: Presseaussendung der Piratenpartei vom 10.01.2010

Überwachung

Auch zu diversen Themen, die unter „Überwachung“ oder „Überwachungsstaat“ fallen, wie Fingerabdrücke aus Reisepässen, Onlinedurchsuchungen, Lauschangriffe, Kundenkarten, RFID-Chips oder Telefondatenspeicherung, kann mensch unter dem Motto „Der gläserne Bürger“ oder „Keine Privatsphäre“ eine solche Aktion organisieren.
Die Erklärung könnte lauten, dass diverse Behörden so viele Daten der Menschen sammeln, dass mensch am Ende alles preisgeben muss und quasi nackt, ohne jede Intims- oder Privatsphäre, in den Datenbanken steht.
Hier bietet sich auch eine Art „Steckbrief“ mit (falschen) Daten über den Menschen an. Das kann sein: Name, Alter, Blutgruppe, Krankheit, Einkommen oder ähnliches. So wird die „totale Datensammlung“ parodiert.

Steuern und Studiengebühren

Alles, was mit Finanzen oder der Verschlechterung der Finanzsituation für bestimmte Bevölkerungsgruppen zu tun hat, kann man mit einer Ausziehaktion unter dem Motto „Mein letztes Hemd (z. B.) für Studiengebühren“ organisieren.

Pelz

Im Bereich „Tierschutz“ und „Tierrechte“ ist die Aktion „Lieber nackt als im Pelz“ wohl die bekannteste. Das Ganze lässt sich natürlich auch super zum Thema Leder durchführen. Dabei geht es nicht um möglichst gute Plakatmotive. Auch leicht bekleidet mit einem Schild „Lieber nackt als Pelz“ lässt sich eine Ausziehaktion zum Thema Pelz organisieren.
Bildquelle: PETA Deutschland e. V.

Fleischkonsum

Aber auch der Fleischkonsum eignet sich hervorragend, um durch Ausziehaktionen thematisiert zu werden. Einfach die verschiedenen Körperregionen auf den Körpern der Aktivist:innen abgrenzen und dazuschreiben, was eine Metzgereifachkraft daraus „Tolles“ machen kann. Filet, Rippe, Lende, Steak, Keule, Schulter, Speck, Brust, Hachse (in Süddeutschland Haxe geschrieben), Kotelett, … sind allgemeinverständliche Begriffe für Körperteile, die gegessen werden. Damit die Aktivist:innen dann nicht die kommenden Wochen mit bemalten Körpern unterwegs sind, empfiehlt es sich, Tattoostifte zu verwenden, da diese Farbe erheblich schneller zu entfernen ist. Die Stifte gibt’s in gut sortierten Bastel- und Karnevalsgeschäften, im Drogeriemarkt oder eben via Internet.
Bildquelle: PETA Deutschland e.V.

Klimawandel

Der drohende Klimawandel bietet sich für Umwelt-Aktivist:innen auch immer wieder für Ausziehaktionen an. Greenpeace beispielsweise ließ rund 600 Aktivist:innen für ein Foto nackt auf einem schmelzenden Gletscher posieren. Ähnliches kann leicht organisiert werden. Nicht auf dem Gletscher, aber in der heimischen Fußgängerzone. Unter einem Motto wie „Freibad auch an Weihnachten, Klimawandel willkommen!“ können Aktivist:innen im Badekleidung mit Gummiboot und Schwimmring bewaffnet den Weihnachtsmarkt stürmen.

Bilder:

Bildquelle: www.wilerzeitung.ch