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Zurück bleibt die Ohnmacht

Nach der „Schande von Clausnitz“ – welche die Situation zu beschreiben versucht, in der ein rassistisch gröhlender Mob den Einzug von Geflüchteten in eine Unterkunft blokierte und der Polizei nichts „angemesseneres“ einfiel als einige der verängstigten Geflüchteten mit Gewalt aus dem Bus zu zerren und nun sogar Anzeigen gegen mind. einen (angeblich ca. 10 jährigen) Geflüchteten einleiten möchte, da er den hasserfüllten Parolen der Rassist*issen mit einem Stinkefinger geantwortet haben soll – habe ich wirklich viele gute und treffende Artikel und Kommentare zu dem Thema gelesen. Alle sind erfüllt von Scham, Wut, Fragen, klaren Statements und der Forderung, dass „das endlich aufhören“ müsse. Die Kommentare und Kritiken zum Einsatz der Polizei aber vor allem auch zum Rechtsruck und zur gesellschaftlichen „Normalisierung“ von rassistischen, brutalen, menschenverachtenden Mobs sind aber vor allem von einem gekennzeichnet: Ohnmacht. Wütend machende, verzweifelte und ratlose Ohnmacht.
„Nie wieder“ denken wir andauernd und „das muss aufhören“, „es darf nicht noch schlimmer werden“ – und doch, wenn man am folgenden Tag auch nur irgendeinen Mediankanal anschaut, prasseln sie wieder auf einen ein: Die neuen „Schanden“ von Heidenau, Clausnutz, Hellersdorf und all den anderen Ortschaften…
Thomas Laschyk (Volksverpetzer) titelte dazu: „Spätestens mit der „Schande von Clausnitz“ sollte Deutschland erkannt haben, das wir längst einen Punkt überschritten haben, an dem wir den rechtsradikalen Trend in unserem Land schön reden können. Wenn die Polizei unter Applaus nichtdeutsche Kinder würgen kann, dann stehen wir schon mit einem Bein im institutionalisierten Faschismus. Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen.“ und weiter „Die Zeit des Redens muss vorbei sein. Wenn die Polizei dabei mitmacht, Flüchtlinge zu verprügeln, dann war’s das mit der Menschlichkeit. Mit unserem Rechtsstaat. Mit der Demokratie. Darüber reden wird aber nichts ändern. Diejenigen, die die Worte der Vernunft noch hören, wissen darüber bereits Bescheid. Die, die es nicht tun, werden es nie mitbekommen. Man muss die Initiatoren und Akteure dieser Scheiße erreichen. Aber die Kann man nicht erreichen, weil sie in einer Subkultur leben, sozial und medial abgeschottet.“ (https://volksverpetzer.de/…/nach-clausnitz-wir-muessen-dem…/) –
mir erscheint dieser Artikel in Teilen wie ein einziger Hilferuf (zu Recht) und wie jedes Mal stellt sich auch in meinem Kopf die Frage: Was zur Hölle können wir tun? Wir können wir, wie kann ich, den tausenden, ja millionen schlichtweg erfundenen und wiederlichen Facebookbook-Hass-Meldungen gegen Geflüchtete entgegentreten? Wie kann ich verhindern, dass durch Gerüchte, Abwertung, Hass und wohlwollende Naivität ein Klima begünstigt wird in dem wir plötzlich darüber reden müssen ob Kinder von Geflüchteten nicht selber daran schuld sind, wenn ihnen deutsche Rassist*innen nach dem Leben trachten, weil sie es wagten mit ihnen mit einem „Stinkefinger“ zu antworten. Wenn ich könnte – rein gefühlsmäßig – würde ich den ganzen scheiss Tag lang mit einem Stinkefinger durch die Welt rennen und ihnen Rassist*innen (…) entgegenstrecken. Gäbe es auf Fb statt dem Daumen den Stinkefinger-Button könnte ich stunden meines Lebens damit verbringen nur mit dieser Geste Hasspostings zu kommentieren. Und dann kommt wieder das Geplärre vonwegen man müsse doch mit Nazis, Rassist*innen, Rechtspopulist*inne, Pegidiot*innen einfach mal reden, ihnen Zugang zu Informationen beschaffen blablabla. Ich habe den Eindruck, dass jeder Zugang zu Information über örtliche Geflüchteten-Arbeit derzeit in einem Angriff auf selbige endet. Ich kenne hunderte unfassbar engagierte tolle Menschen – manche politisch motiviert, manche einfach nur durch Menschlichkeit, die wirklich jede freie Stunde in die Arbeit für und mit Geflüchteten stecken – in eine Arbeit von Menschen für andere Menschen. Die meisten dieser Engagierten haben keine Zeit und keinen Nerv mehr sich noch solche Meldungen und Kommentare „reinzuziehen“ noch zu disskutieren und zu lamentieren. Und ich hatte eigentlich noch zu keinem einzigen Zeitpunkt jemals das Gefühl, dass irgendein*e Rassist*in/Nationalist*in (…) die mir je begegnet wäre irgendein Interesse an einem Dialog oder Diskurs hatte. Die Zeit des Redens ist (in den allermeisten Fällen) auch für mich persönlich schon lange vorbei. Und es bliebt die Ohnmacht.
Ja ich kann hunderte Stunden im Monate Tee kochen für ankommende Geflüchtete, kann Solipartys veranstalten, Deutschnachhilfe geben, Menschen beraten, mich befreunden, Beziehungen aufbauen, Helfer*innentreffen koordinieren – ich kann und mein Umfeld kann eine sehr sehr große Menge gutes, konstruktives bewirken – und das ist wichtig!
Aber das lindert nicht dieses ekelhafte Gefühl von Ohnmacht gegenüber diesen ganzen Neona- äh besorgten Asylkritiker*innen, ihrer absoluten Resistenz gegen jeden Anflug von Menschlichkeit, ihre Gewaltbereitschaft und ihre Kompetenz und ihr Ziel Menschen zu verletzten: Verbal, emotional, körperlich, psychisch – einfach in jeder hinsicht. Es fällt ihnen leicht mir weh zu tun – und sie tun es – und es bereitet ihnen eine diebische Freude. Und zurück bleibt – jedes verschissene Mal wenn ich life oder in Beiträge sehe wie johlende Massen selbstherrlich und selbstgerecht andere Menschen systemisch abwerten, demütigen, angreifen, verletzten – immer wieder Wut die mir die Tränen einschiessen lässt, Verzweiflung und das Gefühl von Ohnmacht das mich zerfrisst. Und ich habe keine Lösungsansätze. Vielleicht habt ihr welche für mich?